Klimafreundliche Energie im Fokus

In einer Ära, in der die Digitalisierung unser aller Leben durchdringt, spielen Rechenzentren eine zentrale Rolle. Sie sind die Basis für den Datenverkehr und werden zur Lebensader unserer zunehmend digitalisierten Welt. Doch dafür ist ein enormer Aufwand an Infrastruktur und Strom erforderlich. Infolgedessen sind Rechenzentren in die Frontlinie des digitalen Wandels geraten – und das führt zu Spannungen mit den Einschränkungen des Stromnetzes.

Energiebedarf wird unaufhaltsam grösser

Vorangetrieben durch künstliche Intelligenz, Edge Computing, Streaming, Online-Handel, autonomes Fahren, 5G und Virtual Reality explodieren die Datenmengen auf der ganzen Welt. Laut Angaben der EU-Kommission* betrug der Energieverbrauch von Rechenzentren in der EU im Jahr 2018 76,8 TWh. Sie schätzt, dass dieser bis 2030 um 28 Prozent auf 98,5 TWh steigen wird. Skeptiker halten diese Schätzung für zu niedrig. 2022 belief sich der Strombedarf von Rechenzentren bereits auf 1–1,5 % der weltweit erzeugten Elektrizität. Der Bundesstaat Virginia – der weltweit grösste Markt für Cloud-Computing-Infrastrukturen – braucht bereits fast so viel Strom wie ganz Frankreich.

Rechenzentren, die die Rechen-, Speicher- und Übertragungskapazitäten bereitstellen, müssen als Konsequenz wachsen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Wie sich das Ausmass in Zukunft gestaltet, bleibt ungewiss. Sicher ist: Es wird alles bisher Dagewesene übersteigen, denn der Boom hat gerade erst begonnen. Anwendungen der künstlichen Intelligenz (KI) werden die Anforderungen an Rechenzentren noch einmal deutlich erhöhen – und damit auch deren Strombedarf. Schätzungen zufolge soll der KI-generierte Stromverbrauch bis 2028 jährlich um 25–33 % steigen.

Rechenzentren = Klimakiller?

Der Data-Center-Boom resultiert in enormen Umweltbelastungen und in massiv höherem Strombedarf. Unter anderem in den USA sorgt das zunehmend für Unmut. In Phoenix, Arizona und in Virginia gab es bereits Proteste gegen Lärm, Wasser- und Flächenverbrauch. Und die Energieversorger stehen vor riesigen Herausforderungen: Sie müssen mehr Strom für Rechenzentren liefern und gleichzeitig CO2 sparen, was ihre Bemühungen, Kraftwerke mit fossilen Brennstoffen vom Netz zu nehmen, torpediert.

Die Gretchenfrage ist: Sind Rechenzentren die neuen Energiefresser, die die Bemühungen um Nachhaltigkeit zunichtemachen?

Konstanter Strom braucht Technologiemix

Beispiel US-Bundesstaat Virginia: Dort hatte der Energieversorger Dominion Energy* Anfang 2023 einen Plan zur Kapazitätsverdoppelung vorgestellt. Die Stromerzeugung wäre dann etwa so hoch wie in Frankreich. Um dies zu erreichen, soll die Stilllegung von zwei Kohlekraftwerken verzögert und bis zu sieben neue Gaskraftwerke gebaut werden. Das Unternehmen gibt aber auch an, mehrere Milliarden US-Dollar in Offshore-Windparks zu investieren. Doch nach Angaben von Dominion erzeugt Offshore-Wind nur 40–50 % der Zeit Strom, Solarenergie nur 20–25 %. Das reicht nicht aus und die Energieversorger begannen, riesige Batterieanlagen zu bauen. Doch im Vergleich zum Gesamtverbrauch sind die Batteriesysteme klein und können das Netz nur für wenige Stunden am Stück ersetzen.

Neue Ansätze für die Stromversorgung

Auch die Betreiber von Rechenzentren sagen, dass sie sich für weniger Emissionen sowie mehr erneuerbare Energien einsetzen und zur Finanzierung von grüner Energie beitragen. Sie können ihren eigenen Strombedarf aber nicht ohne Weiteres aus erneuerbaren Energien decken. Denn sie verbrauchen rund um die Uhr Strom, auch dann, wenn weder Wind noch Sonnenlicht verfügbar sind. Um sich darauf einzustellen, arbeiten Rechenzentrumsbetreiber an einer Reihe neuer Ansätze für die Stromversorgung wie beispielsweise:

  • Mini-Atomkraftwerke: Kleine modulare Reaktoren (SMR) und Mikroreaktoren sollen Cloud-Computing- und KI-Rechenzentren mit Energie versorgen. Beide basieren auf dem gleichen Prinzip wie konventionelle Atomreaktoren, sollen sich aber leichter bauen und transportieren lassen.
  • Kernfusionsreaktoren:  Ein Kernfusionskraftwerk könnte im Vergleich zu einem Kernspaltungskraftwerk bei wesentlich geringerem Brennstoffverbrauch, besserer Anlagensicherheit und mit weniger langlebigem radioaktiven Abfall grosse Mengen an elektrischer Energie liefern.
  • Erdgas-Brennstoffzellen: Rechenzentren mit Erdgas-Brennstoffzellen zu versorgen, ist eine weitere Möglichkeit der Energieversorgung.
  • Biogasanlagen: Im Entstehen begriffen sind auch Biogasanlagen, die aus Speiseabfällen Energie gewinnen.
  • Wasserstoff-Brennstoffzellen: Eine weitere Idee betrifft die Energieversorgung mit Wasserstoff. Mit der Technologie liessen sich auch Lastausgleichsdienste während Perioden übermässiger Wind- oder Sonnenenergieerzeugung bereitstellen, um die erneuerbare Energie als Wasserstoff zu speichern.
  • Geothermie: Die Technologie hat gegenüber Windkraft und Photovoltaik den Vorteil, dass rund um die Uhr und bei jeder Wetterlage konstant Energie erzeugt werden kann. Besonders gross ist das Potenzial für die Nutzung der Erdwärme in Kenia.

Nachhaltige und zuverlässige Energiezukunft

Um dem steigenden Energieverbrauch von Rechenzentren nachhaltig zu begegnen, braucht es nicht eine einzige Lösung, sondern vielmehr einen vielfältigen Ansatz, der sich unterschiedlichen Ausgangssituationen und Herausforderungen stellt, denen wir gegenüberstehen. Neben der Frage der Energiegewinnung müssen wir die Infrastruktur eines Landes oder einer Region sowie die Speichermöglichkeiten und -kapazitäten in Betracht ziehen.

* Quellen: EU-Kommission; Dominion Energy