Rückbesinnung auf Freileitungen

Ausserhalb der Städte – im sogenannten Hinterland – ist die klassische Erdverkabelung für die FTTH-Erschliessung oft zu aufwendig und teuer. In felsigen Regionen lässt sie sich oft gar nicht anwenden. Trotzdem soll die flächendeckende Breitbandversorgung nicht scheitern. Deshalb besinnen sich Kommunen und Netzbetreiber wieder auf die Installation von Freileitungen.

Freiluftverkabelung ist unbestritten die kostengünstigste Verlegeart für die FTTB/FTTH-Erschliessung. Sie ist schnell und relativ einfach ausführbar, vor allem auf der «Letzten Meile» zu den Breitbandkunden. In früheren Jahrzehnten hat sie sich beim Bau von Telefon- und Stromnetzen bewährt. Die Planung ist jedoch anspruchsvoll.

Vorkonfektionieren spart Zeit

Zeit ist Geld, auch beim Bau von Freileitungen. Darum fragen die Projektverantwortlichen, wie sie Zeit sparen können. Die Antwort lautet: Vorkonfektionieren. Der Trend geht weg vom Spleissen der Bündeladerkabel im Feld und hin zu vorkonfektionierten Drop-Kabeln.

Dieser Trend widerspiegelt sich im Absatz direkt konfektionierbarer Kabeltypen. Die Nachfrage steigt seit Jahren. Diese Kabeltypen eignen sich besonders für die Verbindungen von den letzten Verteilpunkten zu den Anschlussboxen an den Gebäuden. Das R&M-Portfolio für die FTTH-Erschliessung bietet für diesen Einsatzbereich die ZOONA-Muffe, die Familie der Polaris-boxen und Kabelprodukte aus eigener Fertigung in Europa an.

 

 

Kriterien für die Planung

Bei der Planung der Freiluftverkabelung ist ein besonderes Augenmerk auf die Installationsumgebung und die klimatischen Bedingungen zu richten. Das Klima muss ganzjährig betrachtet werden.

Beim Umfeld kann es sich um private oder öffentliche Bereiche handeln. In privater Umgebung haben die Netzbetreiber eine grössere Kontrolle über ihre Infrastrukturen. Das gilt zum Beispiel für Industrienetze oder Campusnetze.

Erfolgt die Verkabelung jedoch im öffentlichen Bereich, so werden normalerweise bestehende Masten verwendet. Unter Umständen nutzen mehrere Anbieter gemeinsam die vorhandenen Infrastrukturen. Bei dieser Modalität kommt es erfahrungsgemäss häufiger zu Betriebsunfällen und somit zu Ausfallzeiten.

Aber es gibt weitere Herausforderungen zu meistern. Zum Beispiel ist zu fragen:

  • Wie sieht es mit der Kapazität vor Ort aus? Wie viel Platz ist an den Masten verfügbar und halten sie die Belastung durch zusätzliche Kabel und Anschlussboxen aus?
  • Welche Spannweiten und Befestigungshöhen sind gefordert? Wie weit dürfen die Kabel durchhängen, ohne von querenden Kraftfahrzeugen berührt zu werden?
  • Was fordern Nachbarn und lokale Regulierungen? Inwieweit muss auf die Ästhetik der Umgebung Rücksicht genommen werden?

Das alles kann bei der Planung schon früh berücksichtigt werden. Beispielsweise lassen sich robustere Befestigungen, ausreichend dimensionierte Muffen und einsatzgerechte Kabelkonstruktionen wählen.

Kriterien für Drop-Kabel

Aus den internationalen Erfahrungen von R&M lassen sich einige Kriterien für die Auswahl der Drop-Kabel ableiten.

Drop-Kabel müssen kleindimensioniert sein hinsichtlich Durchmesser und Gewicht. Idealerweise sind sie rund, um eine zuverlässigere Abdichtung am Stecker, respektive an der Box zu gewährleisten.

Bei der Kabelkonstruktion ist auf eine ausreichende Abspannweite unter Berücksichtigung der klimatischen Bedingungen zu achten. Der Mantel sollte sich leicht abisolieren lassen und dennoch witterungsbeständig sein. Schliesslich muss das Kabel den wechselnden Zugbelastungen innerhalb eines grossen Temperaturbereichs über Jahre hinweg standhalten.

Die Auswahlkriterien lassen sich auf fünf einfache Regeln konzentrieren:

  • je leichter desto besser
  • je dünner desto besser
  • je höher zugbelastbar desto besser
  • je einfacher designt desto besser
  • je schwärzer desto besser

 

 

Die Bedeutung von Aramid

Luftkabel sollten in jedem Fall mit einer Zugentlastung aus Aramid ausgestattet sein. Glasgarne oder Glasrovings eignen sich nicht.

Der Grund ist die Vibration. Luftverlegte Kabel sind ständig Vibrationen und Bewegungen durch Wind ausgesetzt. Glasgarne im Mantel würden sich dabei gegenseitig durchschneiden und das Kabel würde an Zugkraft verlieren. Ausserdem brauchen Luftkabel keinen Nagetierschutz, der bei Erdkabeln mittels Glasrovings gewährleistet wird.

Der Markt bietet verschiedene Kabelabspannvorrichtungen an. Sie werden spezifisch für die jeweilige Kabelkonstruktion designt. R&M empfiehlt, ausgetestete Kombinationen von Kabelkonstruktion und Kabelabspannvorrichtung zu verwenden.

Parameter für die Kabelauswahl

Für die Auswahl der optimalen Kabel sollte eine Reihe von Parametern hinzugezogen werden. Jeder Standort und die individuelle Anwendung erfordern zumeist eigene Spezifikationen.

Kabelhersteller geben in der Regel an, welche maximale Zugkraft (MAT) ein Kabel aufweist. Sie ermitteln den Wert bei Raumtemperatur (± 20°C). Dieser Wert allein ist noch kein Indiz, ob das Kabel für eine spezifische Anwendung verwendet werden kann.

Für die Auswahl des optimalen Produkts benötigt der Kabellieferant die Angaben zu folgenden Parametern:

  • maximale Abspannweite – je geringer, desto einfacher die Lösung
  • minimaler Durchhang (% der Abspannlänge) – je grösser, desto einfacher
  • maximale Windbelastung – je geringer, desto einfacher
  • maximale Zusatzlast (z.B. Vögel, Eis, Schnee) – je geringer, desto einfacher
  • minimale, maximale Betriebstemperatur (D T) – je geringer, desto einfacher

Kennt der Kabellieferant diese Werte, kann er die kostengünstigste Variante berechnen und die Anforderungen der individuellen Applikation erfolgreich umsetzen.

Die Attribute und Spezifikationen sollten in einem technischen Dokument (z. B. Datenblatt) festgehalten werden. Üblicherweise wird eine Span-Sag-Tabelle verwendet, die alle Werte unter Berücksichtigung bestimmter klimatischer Bedingungen angibt.

Grundsätzlich gibt es drei standardisierte Umgebungsbedingungen für die Belastungsfähigkeit der Kabel, die als NESC Light, NESC Medium und NESC Heavy bekannt sind. Hier die Tabelle:

Load level Wind Ice Temperature Added Load
Light 95 km/h (430 Pa) 0 mm -1°C 0.7 N/m
Medium 63 km/h (190 Pa) 6.5 mm -10°C 2.5 N/m
Heavy 63 km/h (190 Pa) 12.5 mm -20°C 4.4 N/m

 

Fazit

Freiluftkabel für die FTTH-Erschliessung ländlicher Regionen sollten nicht überdimensioniert oder überdesignt sein. Auch «one fits all»-Lösungen empfehlen sich nicht. Ein Kabel, dass alle möglichen Parameter voll erfüllt, wäre kommerziell unschlagbar. Sprich: zu teuer.

Es ist auch nicht ratsam, individuell benötigte Aerial-Drop-Kabel einfach aus einem Katalog oder Onlineshop heraus zu definieren. Dabei könnten relevante Einflussparameter wie die Belastungsstufen übersehen werden.

Darum ist die Kontaktaufnahme zum Kabellieferanten ihres Vertrauens in jedem Fall die erste Wahl.